Angelo



Sicher, es ist vielleicht gerade nicht Weihnachtszeit, also nicht gerade die Zeit für eine Weihnachtsgeschichte, doch habe ich mich entschlossen nun endlich zu erzählen, was mir schon lange auf der Seele gelegen hat. Ich habe sehr lange gebraucht, um dieses Erlebnis zu verarbeiten. Es fällt mir immer noch nicht leicht es hier zu erzählen. Ich weiß genau, daß mir das alles sowieso niemand glauben wird. Aber alles was ich schreibe ist wahr. Wenn ihr mir keinen Glauben schenken wollt, dann kann ich das nicht ändern. Mein Entschluß endlich diese Geschichte zu erzählen steht fest.

Es war in der Vorweihnachtszeit. Die letzten Tage vor dem heiligen Fest. Weihnachten sagte mir nichts mehr und so sah ich dem Fest sehr nüchtern entgegen. Ich hatte meine Geschenke schon besorgt und so meine Schuldigkeit dem Gott Kommerz gegenüber getan. Meine Stimmung war absolut nicht weihnachtlich und ich wäre froh gewesen, wenn dieses Fest schon vorbei wäre. So scherte ich mich nicht um die vielen Passanten und die hektischen Mütter mit den Kindern, die ihre letzten Einkäufe tätigten. Ich scherte mich nicht um Tannenbäume und Glitzergirlanden, die nun allerorts in den Schaufenstern und über den Straßen hingen. Markus hatte angerufen und mich mit Roland und Gordon zusammen eingeladen an einer Sitzung der Radiogruppe teilzunehmen. Aber es war keine Arbeitssitzung, sondern ein gemütlicher Rückblick auf das vergangene Jahr in dem wir zusammen hier im Lokalfunk schwules Radio zusammen gemacht hatten. Wir trafen uns auch nicht im Studio, sondern im "Europa Stübchen", eine Szenekneipe mitten in der Stadt. Es war ein ausgelassener Abend. Wir scherzten und sprachen von den vergangenen Sendungen und sammelten Ideen für das nächste Jahr.

Es war Freitag abend und ich konnte etwas länger bleiben. Samstags muß ich nicht arbeiten. Doch gegen 23.00 Uhr packte mich die Müdigkeit und ich zahlte meine Karte. Wir verabschiedeten uns und ich nahm meine Jacke.

"Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und macht nicht mehr zu lange. Ich fahre nach Hause, denn ich bin hundemüde und mein Bett wartet bestimmt auch schon auf mich."

"Na, dann viel Spaß alleine."

Markus blitzte mit seinen verschmitzten Augen durch seine Brille.

"Und tu dir nicht weh."

Ich grinste, gab jedem einen Abschiedskuß und öffnete die Türe. Draußen war es kalt und windig. Der Nieselregen wurde mir ins Gesicht getrieben und meine Brille war sofort naß und fast undurchsichtig. Ich trat hinaus und zog die Kneipentüre hinter mir zu. Ich schloß meine dicke Jacke und ging schnellen Schrittes, mit gesenktem Kopf an dunklen Hauseingängen vorbei in Richtung meines Parkplatzes. ‘Mistwetter!’ dachte ich, denn ich hatte gut fünf Minuten Fußweg bis zu meinem Auto. Nachher würde ich total durchnäßt sein und bestimmt noch einen Schnupfen kriegen. Ich sah mich noch mal um, als ich um die Ecke bog und die Kneipenmeile verließ. Girlanden mit Weihnachtsbeleuchtung schwankte in der verlassenen Straße im Wind. Ich nahm eine Abkürzung durch eine etwas unbelebtere Seitenstraße. Da meinte ich vor mir Schritte zu hören, aber es war niemand zu sehen.

‘Ach, Einbildung! Wer sollte dir hier schon auflauern?’ Ich beruhigte mich selber, obwohl mein Herz ein wenig schneller schlug. durch meine nasse Brille war wenig zu sehen und der Wind verhinderte, daß ich die Schritte lokalisieren konnte. Ich schaute mich schnell noch einmal um, bevor ich um die nächste Ecke bog. Niemand war auf der Straße und ich beruhigte mich selber. Ich drehte den Kopf wieder nach vorne und erschrak. Um die Ecke kamen plötzlich vier halbstarke und nicht sehr vertrauenerweckende Skins mit Springerstiefeln und Bomberjacke. Ich bekam Panik und wollte die Straßenseite wechseln. Doch bevor ich ihnen aus dem Weg gehen konnte, rempelten sie mich auch schon an. Meine Brille fiel mir von der Nase und ich war fast blind.

"He, paß doch auf, du schwule Sau!"

"Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst? Suchst wohl deinen Freund, der dich gewaltig in den Arsch fickt."

Die drei kugelten sich vor Lachen und standen nun unangenehm nah bei mir. Ich bückte mich und versuchte meine Brille aufzuheben. Einer der drei trat sie jedoch zur Seite in den Rinnstein. Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte: "He, laßt mich in Ruhe, ich habe euch nichts getan."

"Laß mich in Ruhe...", äffte der eine nach. Und immer wieder: "Laß mich in Ruhe..."

Alle drei gackerten albern.

"Sehr witzig! Darf ich meine Brille nun aufheben und weitergehen?"

"Nein, du Schokostecher."

Einer der drei packte mich am Kragen und drückte mich an eine Hauswand. Ich schlug mit dem Hinterkopf hart auf die Ziegelsteine der Wand auf.

"Bevor du dich nicht entschuldigt hast, darfst du gar nichts, du schwule Sau."

"Woher...?"

"Woher wir wissen, daß du ein Arschficker bist? Wir haben dich aus diesem Loch von Schwulenkneipe kommen sehen. Außerdem riecht und sieht man doch, daß du ein Schwanzlutscher bist."

Er schlug mir immer wieder mit der Faust in meine Seite und auf die Brust. Ich sagte nichts, denn jedes Wort hätte alles noch schlimmer gemacht.

"Na, wie war das mit der Entschuldigung?"

"Entschuldigt bitte, daß ich so unachtsam war."

Ja, es tat mir leid so unachtsam gewesen zu sein und die drei nicht bemerkt zu haben, denn sonst wäre ich woanders lang gegangen. Ich kam mir so dreckig vor, daß ich vor diesen Idioten kuschte, aber es war vernünftiger sich ruhig zu verhalten.

"Perverser Spinner. Schwule Sau. Ich zeige es dir."

Einer der drei schlug mir mit seiner Faust in den Magen. Ich klappte zusammen und rutschte mit dem Rücken an der Hauswand runter. Ich stöhnte. Dann hörte ich noch, daß einer der drei leise sagte: "Mensch, der blutet ja aus dem Mund. Komm laß ihn in Ruhe. Er hat genug."

Ich nahm alles wie in einem Nebel wahr und bekam nur noch mit, daß die drei sich noch stritten, was sie mit mir machen wollten, aber da übermannte mich eine gnädige Ohnmacht, denn ich war mit dem Kopf auf eine Treppenstufe geschlagen. Es wurde dunkel.

An das Erste an das ich mich wieder erinnerte, waren die Schmerzen in meinem Magen und die Beule an meinem Kopf. Ich stöhnte und wollte mich bewegen, aber da durchzuckte mich noch ein schlimmerer Schmerz. Ich sackte wieder zusammen und überlegte. Ich sah nicht viel, weil meine Brille wohl immer noch im Bordstein lag. Es war dunkel und der Nieselregel prasselte auf mein Gesicht. Ich nahm die Straßenlaternen wahr und dann war da noch etwas. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob ich wirklich Musik gehört habe, aber es war als würde jemand eine Türe öffnen und wieder schließen. Sicher sind die Anwohner aufmerksam geworden und schauten nun nach, was das für ein Tumult auf der Straße war. Ich hörte Schritte und bekam wieder Angst. Es könnten die drei Skins sein. Ich verhielt mich abwartend und ruhig.

"Mein Gott, was ist denn mit ihnen passiert?"

Ein Passant. Gott sei Dank! Ich bekam Hilfe.

"Ich flüsterte:"Ich bin überfallen worden und meine Brille liegt auf der Straße. Bitte können sie sie mir geben?"

"Aber sicher doch. Ach, Moment hier liegt sie."

Ich versuchte auszumachen, wer mein freundlicher Helfer war. Er hatte eine sanfte und liebe Stimme. Ich schätze ihn so auf mein Alter. Er war hell gekleidet, aber mehr sah ich nicht ohne Brille."

"Hier ist ihre Brille. Geht es ihnen gut? Soll ich den Krankenwagen holen?"

"Nein, nicht so einen Aufwand bitte, aber mir tut mein Magen weh und einer der Täter hat gesagt, daß ich aus dem Mund blute."

Ich schmeckte einen kupfernen Geschmack im Mund. Blut! Na hoffentlich keine innere Verletzungen. Der junge Mann bückte sich zu mir und strich mir die Haare aus der Stirn. Er setzte mir die von ihm gesäuberte Brille wieder auf und auf einmal sah ich klar. Er war nah bei mir, weil er mir auf dem Mund schaute.

"Das ist nicht schlimm. Sie haben sich wohl auf die Lippen gebissen. Können sie aufstehen?"

"Ja, ich denke schon."

Er nahm einen Arm und zog mich vorsichtig hoch in Erwartung meiner Schmerzen. Ich fühlte jedoch nicht meine Schmerzen, die eben noch so schlimm gewesen waren, daß ich mich nicht bewegen konnte, sondern ich fühlte seinen Griff, der sich fest aber sanft um meinen Unterarm drückte. Es war, als fühlte ich eine Wärme, die durch meinen Unterarm sich im ganzen Körper verteilte. Ich war im Moment etwas benommen und schwankte. Da griff er mir um die Taille und legte meinen Arm um seine Schultern um mich zu stützen.

"Ich wohne hier nebenan. Ich bringe sie zu mir rein, weil sie sich da vernünftig hinlegen können."

Ich protestierte nicht. Langsam gingen wir in einen erleuchteten Flur und ich mußte erst einmal wegen der ganzen Helligkeit meine Augen schließen. Vom Flur sah ich nicht viel, aber als wir dann die Wohnung betraten, roch ich direkt einen sehr ausgeprägte Duft nach Zimt, Lebkuchen und Tannennadeln. Es roch nach Weihnachten. Mein Helfer stützte mich noch bis zum Sofa und setzte mich dort ab. Er half mir meine Schuhe auszuziehen und mich hinzulegen. Zur Sicherheit legte er mir auch noch ein Kissen unter die Beine, damit ein eventueller Schock nicht durchschlagen konnte. So schloß ich erst einmal die Augen und genoß einen Augenblick lang die warme, weiche und trockene Unterlage. Da merkte ich, daß ich ganz naß war. Ich hatte bestimmt nicht lange auf der Straße gelegen, aber es war lange genug, daß der Regen mich durchnässen konnte. Ich öffnete die Augen und sah zur Seite und war erst einmal völlig wie vor den Kopf geschlagen. Mein Helfer kniete neben wir und hielt mir seine Hand auf meiner Stirn. Sein Gesicht war sehr nah und ich bekam einen Stich ins Herz als ich ihn genauer ansah. Meine Güte, war er schön! Er war so schön, daß mir im ersten Moment mein Atem stockte und ich ihn wahrscheinlich ziemlich dämlich angesehen habe. Er sagte aber nichts, sondern lächelte nur sanft.

"Ist es nun wieder besser oder soll ich nicht vielleicht doch einen Krankenwagen rufen?"

"Nein, mir geht es wieder besser. Wenn ich nur einen Augenblick so liegen bleiben darf? Es ist mir furchtbar peinlich..."

"Es braucht ihnen nicht peinlich zu sein."

"Mir ist es aber peinlich! Ich mache ihnen das ganze Sofa dreckig."

"Da machen sie sich mal keine Sorgen. Das kann man saubermachen. Aber es wäre doch gesünder für sie, wenn sie die nasse Jacke ausziehen würden. Moment ich helfe ihnen."

Ich wand mich mit seiner Hilfe aus meiner Jacke und verspürte keine Schmerzen. Ich wunderte mich. Nur eine Form von Erschöpfung war zu spüren.

"Sie sind ja ganz durchnäßt. Ziehen sie die nassen Sachen sofort aus und ich bringe ihnen etwas Trockenes."

"Ich bezweifle, daß sie etwas in meiner Größe haben."

Ich schaute ihn an. Er war groß und muskulös, aber von einer vergleichbaren Statur war nichts zu sehen.

"Ich finde schon was. Runter mit dem Kleidern und keine falsche Scham."

Er ging hinaus und man hörte ihn kramen. Ich entledigte mich meines Hemdes und zog meine Hose aus. Nun saß ich nur noch in der Unterhose auf dem Sofa und bibberte trotz angenehmer Raumtemperatur. Er kam mit einem Handtuch und einem Bademantel wieder.

"Hier, trocknen sie sich erst mal ab und dann auch noch runter mit der nassen Unterhose. Sie holen sich den Tod. Der Bademantel müßte passen. Der ist gerade frisch aus der Wäsche gekommen."

Er nahm mir meine nassen Sachen ab und verließ den Raum. Wahrscheinlich wollte er mir Gelegenheit gegen mich meiner Unterhose zu entledigen und mich abzutrocknen. Ich stand nun nackt in einem fremden Wohnzimmer und rieb mir über die feuchte, kalte Haut. An manchen Stellen scherzte es jetzt doch gewaltig und ich sah, dann ich eine Reihe dicker blauer Flecken bekommen würde. Ich schlüpfte in den Frotteebademantel und kuschelte mich ein. Er paßte wie angegossen. Ich setzte mich auf das Sofa und schlang den Mantel um mich, als schon mein Retter mit einer Tasse Tee zur Türe herein kam.

"Hier trinken sie! Das ist Tee. Der wärmt von innen und bringt sie wieder auf die Beine."

"Danke, ich kann ihnen gar nicht sagen, wie dankbar..."

Er fuhr mir über den Mund.

"Sie brauchen sich nicht zu bedanken. Ich mache das gerne."

"Ich weiß noch nicht mal ihren Namen."

"Nenn’ mich einfach Angelo und lassen wir das sie."

"Angelo. Ein schöner Name. Er ist italienisch nicht?"

"Ich bin international."

"Aha, also ein Europäer. Gut, ich fühle mich auch nicht als Deutscher. Vor allem nicht, wenn sich diese Typen von eben Deutsche nennen."

Er lächelte bitter.

"Ja, es sind rauhe Zeiten und die Menschen sind nicht alle gut."

Mein Gott, war das ein Träumer. Er war mir sehr sympathisch. Ich schaute mich um, während ich vorsichtig am heißen Tee nippte. Ein Weihnachtsbaum stand prächtig geschmückt in der Ecke. Ansonsten war das Zimmer klein, aber gemütlich und modern eingerichtet. Ich fühlte mich wohl. Aber da schlug mein schlechtes Gewissen.

"Ich weiß nicht, wie ich ihnen danken soll. Sie habe mich von der Straße aufgelesen und nehmen mich, ohne mich zu kennen, in ihre Wohnung auf und bieten mir Tee und trockene Kleidung an. Ich bin ihnen ewig zu Dank verpflichtet."

Er lächelte wieder und mir wurde sehr warm ums Herz.

"Wir wollten doch du sagen. Du bist mir nicht verpflichtet Jojo. Ich helfe gerne und es bedeutet keine Mühe für mich. Jetzt lasse mich mal schauen, ob du irgendwelche Verletzungen hast."

Er kam näher und ohne mich zu fragen, kniete sich vor mich und nahm mir die Tasse aus der Hand, stellte sie auf den Tisch und öffnete mir den Bademantel, so daß er meine Brust betrachten konnte. Ich saß steif da und war ob der Vertraulichkeit erstaunt, wollte aber nichts sagen. Er berührte einige Stellen auf meiner Brust und auf meiner Seite. Ich zuckte zusammen, aber weniger aus Schmerz, sondern eher, weil mich seine warmen Finger beunruhigten. Er tat so, als bemerke er es nicht.

"Das gibt einige große blaue Flecken. Aber ich kann nicht sehen, daß da Rippen oder so gebrochen sind."

Er strich weiter mit den Fingern über meine Brust und ich lehnte mich zurück.

"Ich habe da eine Salbe. Ich werde die mal auftragen, dann werden die Schmerzen und die blauen Flecken nicht so schlimm."

Er stand auf und ging hinaus. Ich war völlig besinnungslos. Merkte er denn nicht, daß er mich absolut verwirrte? Oder machte er das extra? Da kam er auch schon wieder mit einem kleinen weißen Plastiktopf zurück.

"Zieh mal den Bademantel runter und lege dich mal auf den Rücken."

Ich tat, wie mir geheißen. Mit entblößten Oberkörper lag ich auf dem Sofa und schloß die Augen.

"Die Salbe ist im ersten Augenblick etwas kalt, also nicht erschrecken."

Ich zuckte trotzdem zusammen, als mich die Salbe berührte. Sie kühlte und wärmte zugleich. Seine Finger glitten so sanft über meine Brust, daß ich leise und wohlig seufzte. Nun war mir alles egal. Sollte er doch mit mir machen, was er wollte.

"Ist es gut so?"

Er lächelte wieder so betörend, aber ohne daß man einen Hintergedanken aus seinen Augen hätte lesen können. Nun nahm er auch die zweite Hand und rieb mit beiden Handflächen vorsichtig und sanft über meine Brust. Er mußte doch spüren, daß er mich erregte. Aber er blieb stumm. Ich grummelte wohlig.

"Dreh dich mal um, dann kann ich auch noch den Rücken nachschauen."

Ich drehte mich um und lag nun mit dem Bauch auf dem Sofa.

"Hier sind auch noch einige Stellen."

Auf einmal war ich fast froh, daß ich auch auf dem Rücken böse Stellen hatte. Er salbte sie ein und strich mir mit beiden Händen über den Rücken. Ich wand mich ein wenig, weil mein Rücken doch sehr empfindsam ist, aber er sagte dazu nichts. Da rutschte auch noch der letzte Zipfel des Bademantels von mir und ich lag nackt vor ihm. Was für ein Glück, daß ich auf dem Bauch lag. Nun konnte ich nicht mehr anders als laut aufzustöhnen.

"Habe ich dir weh getan?"

"Im Gegenteil! Angelo, du hast so sanfte und zärtliche Hände. Ich könnte das stundenlang so genießen."

Er lächelte wieder fuhr mit den Streicheleinheiten fort während er sprach.

"Ich tue das gerne. Ich nehme an, daß du sagst, wenn ich zu weit gehen sollte."

"Du kannst gar nicht zu weit gehen."

"Wenn du meinst. Ich weiß noch ein gutes Mittel gegen den Schmerz."

Er bückte sich über meinen Rücken und küßte mich auf die Stellen die schmerzten. Er rieb mit seiner Wange über meinen Rücken. Er kraulte mir mit der einen Hand im Nacken und küßte unbeirrt meinen Rücken auf und ab. Es machte mich wild. Es war genauso, wie ich es absolut liebte. Woher wußte er das? War es Intuition? Ich schaute ihn an und er schaute mit seinen engelsgleichen Augen zurück. Er lächelte und legte seine Kopf schief. Wir sahen uns in die Augen.

"Warum tust du das?"

Ich war hin und her gerissen von seinem Anblick, einer unglaublichen Traurigkeit und meiner Spannung.

"Weil ich dich liebe."

"Wie kannst du mich lieben? Wir kennen uns doch erst seit ein paar Minuten."

"Nein, das stimmt nicht."

Er wurde ernst.

"Willst du hier übernachten? Es ist schon spät und du bist noch so schwach. Außerdem, schau dich an, dir fallen ja schon die Augen zu."

Als er das sagte, das fühlte ich eine Schwere in mir, die so unglaublich süß war, daß ich ihr nur noch nachgeben wollte.

"Ja, wenn es dir keine Mühe bereitet?"

"Nein, auf keinen Fall. Es wäre mir ein Vergnügen. Ich habe aber nur ein kleines Bett. Wenn es dir nichts ausmacht..."

"Nein, macht es nicht. Du kennst mich doch so gut, dann dürfte das auch für mich kein Problem sein, Angelo."

Ich meinte das scherzhaft, aber er nahm mich erst. Er nahm mich bei der Hand und führte mich wie ich war in sein Schlafzimmer und schlug das Bett auf.

Ich legte mich auf die samtweichen Kissen und merkte, wie Angelo sich schnell ausgezogen haben mußte und sich zu mir legte. Ich spürte seine Wärme und seine Nähe. Er legte sich so nah, daß ich seine Körperkonturen deutlich spüren konnte. Sein Atem hauchte er in meinen Nacken. Mir war, als ob ich schon schlief. Ich träumte einen Traum der nicht wahr werden kann, denn so liebevoll und so zärtlich war noch kein Mann zu mir gewesen. Ich fühlte mich geborgen und beschützt. Vom Überfall spürte ich nichts mehr. Ich heilte innerlich und genoß dieses überaus starke menschliche Wärme. In dem Moment spürte ich auch seine Liebe. Sie machte mich fast betrunken vor Glück.

Ich schlief lange und traumlos. Als ich aufwachte, da war ich alleine. Ich hatte zuerst Probleme mich zu orientieren, doch kurz nachdem ich mich umsah kam Angelo ins Zimmer und trug ein Tablett. Das Morgenlicht schien ihm von hinten durch das kleine Fenster zu einem winzigen Innenhof durch die blonden Haare. Dieser Moment bleibt mir für immer in Erinnerung. Ich werde diesen Augenblick nicht vergessen. Es war fast so, als würde Angelo von innen leuchten.

"Guten Morgen."

Angelos samtweiche und sanfte Stimme holte mich aus meinen Träumen.

"Wie spät ist es."

"Leider schon sehr spät. Du hast lange geschlafen und mußt bald gehen."

"Es tut mir leid, aber warum hast du mich nicht geweckt?"

"Ich habe dich im Schlaf beobachtet. Weißt du, ich brauche nicht viel Schlaf und so hatte ich Zeit dir zuzusehen."

"Angelo, du bist ein wunderbarer, aber auch ein sehr seltsamer Mensch."

"Bin ich das wirklich?"

Er lächelte wieder sein warmes und offenes Lächeln, daß mein Herz einfach schmelzen ließ.

"Ich habe dir etwas zum Frühstück gemacht."

Er stellte das Tablett auf das Bett.

"Ißt du nicht mit?"

"Ich esse auch sehr wenig."

"Sag’ mal, gehörst du irgendeiner Sekte an?"

Er lachte.

"Nein, das kann man nicht sagen. Ich bin halt bescheiden."

Ich gab mich damit zufrieden und aß mein Frühstück. Noch nie hatte mir ein so seltsam karges Frühstück so gut geschmeckt. Ich war kaum fertig, da sagte Angelo auch schon: "So, du mußt nun gehen. Ich denke dir geht es wieder gut und du kannst nach Hause."

"Ja, mir geht es hervorragend und ich will auch nicht länger deine Zeit in Anspruch nehmen."

"Das ist es nicht... ich muß weg."

"OK, ich zieh mich an und dann bin ich schon verschwunden."

Ich sprang aus dem Bett und war erstaunt wie frisch ich war, denn nach den ganzen Blessuren dachte ich, ich würde mich wie ein alter Mann fühlen. Ich zog meine Sachen an, die getrocknet und gefaltet über einem Stuhl hingen.

Ich ging ins Wohnzimmer und da saß er schon und wartete.

"Tja, was soll ich sagen, lieber Angelo? Ich kann mich nur herzlichst..."

Er fuhr mir wieder über den Mund.

"Bedanke dich nicht für etwas, was selbstverständlich ist. Ich weiß was du fühlst und ich nehme deinen Dank an. Bitte habe kein schlechtes Gewissen und lebe in Frieden."

Bei seinen letzten Worten stand er auf und führte mich in den Flur. Wir umarmten uns noch einmal innig und ich fühlte seinen wohlgeformten, starken, aber doch so zärtlichen Körper. Es ging auf einmal so schnell, daß ich nicht mehr weiß, wie ich zu meinem Auto kam. Ich fuhr nach Hause und war noch wie benebelt. Eines weiß ich...ich liebe Angelo. Obwohl nichts Ernsthaftes zwischen uns passiert war, fühlte ich eine tiefe innere Befriedigung in mir. Es war die Liebe und die Freundschaft, die Angelo mir entgegengebracht hatte.

Nach zwei Tagen war meine Sehnsucht zu groß geworden und ich wollte Angelo wiedersehen. Aber ich fand ihn nicht mehr. Ich fand zwar die Wohnung in der ich gewesen war, aber sie war ganz anders eingerichtet und das ältere Ehepaar kannte keinen Angelo. Ich war gelinde gesagt irritiert. Ich konnte mich doch nicht so geirrt haben. Ich suchte die Seitenstraßen ab nach dem Haus in dem ich gewesen war und fand es nicht. Angelo war und blieb verschwunden. Man kann sagen, daß ich sehr stark verwirrt war. Ich zweifelte an meinem Verstand. Aber Angelo war wirklich. Ich fand in einer meiner Taschen eine Dose mit Salbe. Genau die Salbe, mit der Angelo mich verarztet hatte. Also hatte ich den Beweis, daß er existiert hat, oder?

Nun suche ich Angelo überall und ich suche ihn in jedem Menschen. Was ist oder war Angelo? War es meine Einbildung, eine Fata Morgana? War oder ist Angelo ein Geist? Oder ist er gar mein Schutzengel? Ich weiß es nicht. Aber ich suche Angelo weiter. Vielleicht finde ich nicht Angelo, sondern jemand anderes, der wie Angelo ist. Er muß nicht so aussehen oder so lächeln oder... Wenn er auch nur einen kleinen Teil von Angelo in sich trägt, dann weiß ich genau: Ich werde diesen Menschen lieben, so wie ich Angelo geliebt habe und es noch tue.

Angelo, wo bist du?