Jojo
am Baggersee
Mädels, bei dem Wetter
schwitzt man sich echt den ganzen Tag die schwule Seele aus dem
Leib. Das einzige Mittel dagegen ist wohl eine zünftige
Abkühlung am Baggersee.
Am Sonntag war es so weit.
Ich und mein Mann fuhren mit unserem STK (Schwerer Tuckenkreuzer)
in Richtung Baggersee. Nachdem wir zwei Stunden gestritten
hatten, welche Sachen wir mitnehmen, schleppte ich - völlig
ausser Atem - meine zehn Kilo schwere Strandtasche ins Auto. Ich
hatte mich mal wieder durchgesetzt! Am Baggersee sollte es
neuerdings eine schwule Ecke geben. Dort wollten wir hin: Männer
gucken! Ich war schon ganz aufgeregt und so wollte mein Mann das
Auto fahren. Er sagte, dass er es nicht verantworten könne, mich
fahren zu lassen. Pöh! Auch wenn ich wieder nur hunderte von
nackten Männerkörpern im Kopf hatte, dann konnte ich doch
trotzdem Auto fahren. Ich stand geschlagene zwei Minuten
gedankenverloren vor der Beifahrertüre und wartete, dass mein
Mann endlich die Türe aufmachte.
Da wurde ich ungeduldig und
rief: "Könntest du nun BITTE die Türe aufmachen, ich
bekomme sonst noch einen Sonnenbrand vom Herumstehen!"
Er antwortete lapidar aus
einem anderen Auto: "Schatz, das Auto vor dem du stehst, ist
das vom Nachbarn."
Huch, ich war doch ein
wenig abwesend gewesen. Dabei war das Auto vom Nachbar ein Fiat
Panda und dunkelblau. Na sowas! Die Hitze, sage ich nur. Als ich
dann meine Sachen verstaut hatte, tuckerten wir los. Die
Zufahrtsstrasse zum Baggersee war verstopft. Ich stand ohnehin
schon kurz vor einer Krise und dann noch das. Überall Heten mit
Kind und Kegel. Furchtbar!
Mein Mann schlug vor, dass
wir auf den Parkplatz am Baggersee fahren sollten. Ich war
entsetzt.
"Aber der kostet doch
Geld. Da hätten wir doch direkt ins Freibad gehen können."
"Da liegen aber keine
Schwestern herum."
Das war ein Argument, das
ich akzeptierte. Ich bezahlte grummelnd die drei Mark für den
Parkschein und schwebte wieder zum Auto zurück. Natürlich
hatten wir nur ganz hinten - kilometerweit entfernt - einen
Parkplatz bekommen. Nun konnte ich meine Strandtasche auch noch
so weit schleppen! Ich kam mir vor wie beim Bund mit vollem
Sturmgepäck. "Sag' mal, was hast du denn da alles
eingepackt? Wir bleiben doch nur einen Nachmittag und nicht drei
Wochen."
"Nur das Nötigste!
Einen Tucke von Welt muss auf alles vorbereitet sein! Hinterher
jammerst du wieder, dass dir etwas fehlt."
Er schüttelte nur den
Kopf. Ich sage dazu nur: MÄNNER! Er wird schon sehen, denn er
hatte nur ein Strandtuch, ein Handtuch und seine Sonnenmilch mit.
Nachdem wir am Tuntenstrand - ich völlig schweissüberströmt -
angekommen waren und ich meine Strandtasche besitzergreifend in
den hellen Sand schmiss, sah ich mich etwas genauer um. Wir
lagerten etwa zehn Meter vom Wasser entfernt und leider nur am
Rand des Tuckenstrandes.
Etwa sechs Meter neben uns
begann die von Heten besetzte Zone. Schrecklich, was für ein
Bild sie darboten. Rechts von uns nur tuckentoastergebräunte und
fitnessstudiogestählte Schwestern mit knappgeschnittenen,
hautengen, hypermodernen und sicherlich teuren Badekleidchen,
niedlichen Sonnenschirmchen, Badelaken mit Ralf König-Bildchen
drauf und bergeweise Strandkoffern mit allen Utensilien, die man
so braucht: Pre-Sun-Lotion, Sonnencreme, Sonnenmilch (dreizehn
verschiedene Faktoren zur Auswahl), Sonnenöl in verschiedenen
Duftnoten, After-Sun-Lotion, Parfüms, Fläschchen, Flakons,
Schächtelchen, Döschen, Tuben und allerlei wichtiger Kleinkram,
wie Kämme, batteriebetriebene Handventilatoren, Bürsten,
Wattebäusche, sechs verschiedene Sonnenbrillen, Spiegel,
Fächer, Schminkutensilien, Kühltaschen mit Tuckenbrause und
Eierlikör, Eiswürfelbehälter, niedlich geflochtene
Picknikkörbe voller Köstlichkeiten etc. pp.. Auf der anderen
Seite sah man hässliche Badetücher aus Omas Aussteuerschrank,
Bierkästen, Bildzeitungen, literweise Aldi-Sun-Lotion mit dem
Schutzfaktor 8 für 5,99 DM und jede Menge hässlicher,
behaarter, schwabbeliger Heten in knielangen Bermudashorts vom
Kaufhof für 9.98 DM das Paar aus dem Sommerschlussverkauf. Nie
war die Kluft grösser gewesen! Die Kluft bestand nicht nur aus
einem ungefähr sechs Meter breiten, freien Strandstück zwischen
den Heten und den Badegästen, sondern auch noch aus ca. 3000
Jahren Entwicklungsgeschichte der Menschheit.
Mein Mann breitete die
Strandtücher aus und ich war zuerst einmal eine halbe Stunde
damit beschäftigt, meine Utensilien ordentlich um mein
Strandtuch zu drapieren. Alles sollte seine Ordnung haben! Dann
legte ich mich graziös auf meine vorher mit einem
Handstaubsauger vom Sand befreite Bastbadematte. Die Sonne
brannte, und ich griff sofort nach links oben und wählte meine
Sonnencreme aus. Mein Mann kannte das Ritual. Solange ich nicht
komplett eingeschmiert war, bekam er keine Ruhe vor mir. Brav
griff er nach der Flasche, die ich ihm fordernd unter die Nase
hielt.
"Kannst du das nicht
selber? Ich finde es einfach lächerlich, wenn ich dir den Bauch
einschmieren soll."
"Du bist aber mein
Mann und von dem kann ich verlangen, dass er mir alles
einschmiert, wenn seinem Angetrauten ein wirklich böser
Sonnenbrand droht."
Mein Mann gehorchte und
schmierte mich von oben bis unten ein. Mein Gekichere und meine
teilweise spitzen, schrillen Seufzer (weil ich so kitzelig bin)
erregten rechts auf dem Tuntenstrand keine besondere, wenn auch
eine leicht neidische Reaktion, zumindest bei denen, die keinen
Mann zum Einschmieren hatten. Aber auf der Hetenstrandseite, also
links von uns, da wurden die ersten Stimmen laut:
"Schwuchteln!"
"Muss man sich das
bieten lassen?"
"Ekelhaft!"
"Abartig!"
Alles war noch leise und
geflüstert zu hören, aber als ich dann meinem Mann zum Dank
für die Sonderbehandlung einen richtigen Zungenkuss gab und ihm
zärtlich das Gesäss tätschelte, da hörte man einige entsetzte
Heten-Mütter rufen: "Pfui! Sowas vor den Kindern! Markus,
schau da nicht hin!" Eine Woge des Entsetzens ging durch den
Tuntenstrand. Einer rief: "Dann legen sie sich doch mit
ihren Gören woanders hin."
Oha, ein ganz Mutiger.
Jetzt wurde es interessant. Wie beim Tennis schnellten unser
Köpfe immer wieder hin und her, um die Bemerkungen, Flüche,
Verwünschungen, Spitzfindigkeiten rechts und links von uns zu
verfolgen.
Rechts: "Frauen zu
küssen, ist abartig!"
Links: "Schämen sie
sich, junger Mann!"
Rechts: "Mit dem
Badeanzug würde ich mich schämen."
Links: "Sie schamloser
Mensch sie, sie haben ja fast gar
nichts an."
Rechts: "Ich habe ja
auch nicht so viel zu verbergen."
Das war eindeutig ein Punkt
für Tuntonia 01 gegen Borussia Hetendorf. Eine Pause trat ein.
Es war ein unfaires Spiel, denn die Heten hatten eigentlich keine
Chance. Wir von der Gilde hatten zwar die Bosheit nicht erfunden,
aber wesentlich verfeinert. Eine neue Runde wurde eingeläutet,
als ein junger, knackiger Mittzwanziger in Stoffsparhöschen an
uns vorbeiging und sich zu uns auf den Tuntenstrand legte. Er tat
das so toll, als hätte er dafür zu Hause zehn Stunden geübt.
Entsprechend schnell reckten sich die imaginären Wertungstafeln
mit fast immer einer 10,0 in die Luft. Einige pfiffen sogar.
Andere hechelten eher still vor sich hin. Dann passierte es:
Der Mittzwanziger
entledigte sich auch noch seiner letzten, briefmarkengrossen
Hülle und stolzierte völlig entblättert ins Wasser. Tuntonia
01 grölte und Borussia Hetendorf war entsetzt. Es folgte eine
neue Runde mit härteren Bandagen; diesmal eher nonverbal.
Mütter hielten ihren Töchtern die Augen zu. Heten-Männer
stellten sich vor Ihre Frauen um ihnen die Sicht zu versperren.
Omas kreischten und hielten sich die Augen zu. Die Gay-Community
johlte!
"Prüde Heten!"
"Verklemmte
Dorfmenschen!"
"Noch nie einen
nackten Mann gesehen, Oma?!"
"Klar doch, die hat
noch keinen reinbekommen."
Ein ganz Spitzfindiger:
"Ich heute auch noch nicht!"
Alles lachte, und einige
Mädels blickten interessiert um sich, um den Rufer zu
begutachten. Das war nicht fein und ich besann mich auf meine
grenzsichernde Funktion und fühlte mich zum Schiedsrichter
berufen. Diese bösen Fouls musste ich ahnden und zeigte meinen
Mitschwestern die gelbe Karte, indem ich rief: "Contenance,
Mädels! Pfui! Was für ein Hetenniveau!"
Die Schwestern wurden rot
und wieder ganz ruhig. Offensichtlich war der Rufer gefunden, und
er nahm direkt zwei Schwestern mit in die Büsche. Ich grinste.
Die Lage entspannte sich.
Aber es war schon zu spät! Aus Borussia Hetendorf brach ein
Stürmer aus. Ein offensichtlich bierbesudelter Mann ergriff die
Sandschaufel seines erst entsetzt blickenden und dann plärrenden
Sohnes und drohte damit heftig herüber. Er wurde aus dem eigenen
Lager durch ein Eigentor gebremst. Ein weibliches Paar
(offensichtlich Lesben) stand auf und muckte.
Der Mann war total verdutzt
und rief nur noch: "Verdammte Lesben, legt euch doch
rüber."
Das taten beide dann auch
und wurden mit wildem Gekreische und Applaus empfangen. Ja, so
ist das richtig! Brüder Lesben und Schwestern Schwule vereinigt
euch! Nicht nur beim CSD. Apropos CSD: Mich überfiel es und ich
brüllte: "Ein dreifach' Kölle..." und ganz Tuntonia
01 reckte die Hände und kreischte: "Alloha!!!", und
das genau dreimal. Irgend jemand hatte wohl sein
regenbogenfarbenes Badetuch aus dem Sand gerissen und schwenkte
es wild mit einem wirklich sexy Hüftschwung. Eine andere
Schwester kreischte: "Ich bin schwul, NA UND?". Ein
banaler Spruch. Eine böse Schwester reagierte darauf
entsprechend: "Mir ist das auch egal, ob du schwul
bist."
"Mädels, lasst die
Krallen eingefahren!" Hugh, der Schiedsrichter hatte
gesprochen.
Jemand von ganz hinten
unten drehte seinen Ghettoblaster laut und 'Er gehört zu mir'
tönte über den Strand. Ein paar Lederkerle (am ledernen
Minislip und an den Brustwarzenketten zu erkennen) standen auf
und tanzten paarweise dazu im Sand. Spontan bildete sich ein
schwuler Männerchor und jeder versuchte den anderen darin zu
übertrumpfen, dass er den kompletten Text von 'Wenn ein Mann
einen Mann liebt' lauter singen konnte. Es artete
stonewallmässig aus. Ein Teil der Mädels rissen sich die Röcke
von den Hüften, und nun konnte man endlich sehen, wieviele
Schwule eigentlich beschnitten waren. Der eine oder andere 'Prinz
Albert' war auch darunter. Erstaunlich!
Auf der Hetenseite setzte
die sogenannte Normalbevölkerung panikartig zur Flucht an. Erste
Bildzeitungen wurden zusammengeklappt und die leeren Bierflaschen
eingesammelt. Es leerte sich zunehmend auf der linken Seite. Als
dann noch vereinzelte (für Heten viel zu hübsch aussehende)
Jungs auf die rechte Seite flüchteten und als neue Schwestern
und ehemalige Scheinheten mit Kuss, Umarmung und einem Glas Sekt
begrüsst wurden, da war es schon 20.00 Uhr. Die Fete nahm kein
Ende. Ich hatte mich inzwischen schon sechsmal gewendet um
überall braun zu werden. Es kribbelte trotz Sonnenschutzfaktor
12 schon bedenklich auf der Haut.
Mein Mann half mir, meine
Sachen zusammenzupacken und wir zogen heimlich, die wilde Fete
hinter uns lassend, von dannen. Ich bekam trotzdem einen
Sonnenbrand. So ein Mist! Am nächsten Tag lasen wir dann in der
Zeitung: "100 Schwule halten Polizei in Schach!"
Typisch Mönchengladbacher Presse! Immer auf einen Skandal aus.
Aber nie würden die berichten, dass die Heten angefangen haben.
Nie! Hoffentlich hält sich das Wetter, denn dann gehen wir
nächstes Wochenende auch wieder an den Tuntenstrand. Selbst mein
Mann, der sich sonst immer schnell langweilt, fand es recht nett
dort. Vielleicht sieht man sich ja mal. Bis dahin... gute
Erholung vom Sonnenbrand!