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Porträt zum 60. Geburtstag (gekürzt)
„Eben da es scheint, daß seine Karriere zu Ende
geht, kehrt Gedda zurück und verblüfft uns alle mit einer erneuten
Demonstration hinreißender Vokalkunst. Das einschmeichelnde weiche
Timbre seiner Stimme, die in besonderer Weise modulierten Mezzavoce-Effekte,
die aristokratische Eleganz der Phrasierung – all das ist noch immer verblüffend.“
schrieb das New York Magazine im April 1982 nach einem Konzert in der Carnegie-Hall.
Wie macht das ein lyrischer Tenor, der gleichermaßen
in Oper, Oratorium, Operette und als Konzertsänger in der ganzen Welt
gefragt ist, so jung zu sein und stimmlich so intakt?
Mit Mozarts Musik, im sogenannten Mozartfach, begann die
große Karriere, an der der legendäre Entdecker und Plattenproduzent
Walter Legge nicht ganz unschuldig gewesen ist. Kurz nach dem Operndebüt
in Stockholm sang Nicolai Gedda bereits Legge vor, der sofort an viele
seiner Freunde, unter anderen auch an Herbert von Karajan, telegrafierte:
"Habe soeben den größten Mozart-Tenor meines Lebens gehört.
Name ist Nicolai Gedda."
Er mußte folglich von Anfang an dieses Ausschließliche
gehabt haben, die Vorraussetzung für einen schnellen und dauerhaften
Aufstieg.
Gedda: Lehrer und Gedda: Stimme
Sie sind ja, wenn man Kurzbiographien von Ihnen liest, als großer Starter mit dem "Postillon von Lonjumeau" sozusagen in die Geschichte der hohen C- und D-Singer eingegangen. Was bedeutet für Sie überhaupt als Sänger diese Sucht des Publikums nach einem hohen C oder einem noch höheren Ton?
Die Liebe zur deutschen Sprache hat den geborenen lyrischen Sänger zu Ausflügen in ein schwereres Fach geführt. Für die Schallplatte hat er die Partie des Max im "Freischütz" von Carl Maria von Weber und die Florestan-Arie aus dem Beethovenschen Fidelio gesungen. Auf der Bühne wagte er sich im Jahre 1966 an den Lohengrin heran. Jedoch blieb dieser Ausflug eine Ausnahme. Gedda war klug genug, um solche Fachüberschreitungen zu vermeiden.
Haben Sie im Laufe Ihres Lebens, im Laufe Ihrer einmaligen Karriere, die, Gott sei Dank, für uns Höhrer noch nicht beendet ist - wir können Sie live noch genauso erleben wie wir Sie von Hunderten von Schallplatten kennen - aber haben Sie im Laufe Ihres Lebens irgendetwas gehabt, irgendeine Musik, irgendeinen Komponisten, der Ihnen niemals begegnet ist und dem Sie vielleicht doch noch begegnen möchten?
Das ist der Ausspruch eines Menschen, der wirklich viel
in seinem Leben erreicht hat. Das ist ein beglückendes Bekenntnis
eines Tenors, dessen Kunst seinen Zuhörern und ihm selbst keine Wünsche
offen ließ.
Verabschieden wir uns von Nicolai Gedda mit dem Lied
der Lieder für Tenöre, mit dem scheinbar leichten und doch so
schweren La donna è
mobile.
Alexander von Schlippe